Alltag und Identität _ Notizen aus Montréal   zuletzt   6   5   4   3   2   1 
Hundekot. [09.09.2005 pmg] In Berlin gibt es offziell gut 100.000 Hunde, das ist etwa auf 30 Einwohner ein Hund (Stand Ende 2003). Vergleichbare Zahlen für Montreal werden offenbar nicht erhoben, also bleibt nur die subjektive Schätzung. Und ich würde einfach mal sagen, es muss wohl ein Vielfaches von Menschen sein, das sich hier einen Hund teilt. Zumindest sieht man die Tiere selten auf der Straße und entsprechend so gut wie nie ihre Hinterlassenschaften.

Bürgersteig mit Füßen und etwas Müll. Foto: Paul Morf Gronert
Es gehört zu den Eigenarten des Menschen, dass ihm die Abwesenheit von Dingen, die er überhaupt nicht vermisst, kaum auffällt. Und so scheint es auch hier zu sein. Zu den Dingen, die mich an meiner geliebten Heimatstadt Berlin am meisten stören, gehört auf jeden Fall die Rücksichtslosigkeit, mit der die überwältigende Mehrheit der Hundehalterinnen und der Hundehalter ihre Tiere auf die Granitplatten, die Mosaikpflastersteine und auf die Betonwerksteinmuster der Bürgersteige oder in Grünanlagen oder neben die Straßenbäume - man verzeihe mir das deutliche, aber treffende Wort - kacken lassen.

Die gelegentlich auftretenden, witterungsbedingten Sprünge, Löcher und Verwerfungen der hiesigen Gehwege zwingen die Montrealer Fußgängerinnen und Fußgänger dazu, ihren Blick immer wieder auf den vor ihnen ihr liegenden Weg zu richten. Auf meinen Hinweis, dass man dabei nie einen Hundehaufen entdecke, erhielt ich von einem Einheimischen die Antwort, dass die Hundehalter hier verpflichtet seien, die Exkremente ihrer Tiere umgehend zu beseitigen. Das allerdings ist in Berlin auch nicht anders, nur kümmert sich eben niemand darum und die Ordnungshüter scheinen vor dem schieren Umfang des Phänomens kapituliert zu haben. Vielleicht sind die Montrealer Hundehalterinnen und Hundehalter nicht mit der Berliner Dreistigkeit ausgestattet. Oder sie sind einfach zu wenige, um eine vergleichbare Liegenlassen-Mentalität durchsetzen zu können, was wiederum am langen, kalten Winter liegen könnte. Dieser hält hier möglicherweise viele Menschen davon abhält, sich einen Hund anzuschaffen, der einen dazu zwingen würde, bei jedem Wetter jeden Tag nach draußen zu gehen. Aber das ist wieder Spekulation.

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