Alltag und Identität _ Notizen aus Montréal   zuletzt   6   5   4   3   2   1 
Filmfestivals. [25.09.2005 pmg] Was macht eigentlich Moritz de Hadeln? 22 Jahre lang leitete er die Berlinale, die Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Nach einem kurzem Gastspiel beim Filmfestival in Venedig ist er jetzt Programmdirektor des 'Festival international de films de Montréal' (FIFM), das in diesem Jahr das erste Mal stattfand und heute zu Ende geht. Es ist nicht zu verwechseln mit dem 'Festival des films du monde (FFM), das erst knapp drei Wochen zuvor veranstaltet wurde und das seit 1977 jährlich stattfindet. Beide Festivals ähneln sich nicht nur hinsichtlich ihrer Abkürzungen. Auch der Anspruch, das internationale, große Filmfest in Montreal zu sein, ist beiden gemeinsam. Und so konkurrieren beide um die selben staatlichen Zuschüsse und Sponsoren.

Anzeigetafel über Kinoeingang heißt Zuschauer zum ersten 'Festival international de films' willkommen. Foto: Paul Morf Gronert
Serge Losique gründete das FFM in siebziger Jahren und leitet es seitdem. Inzwischen ist er 74 Jahre alt. Ans Aufhören denkt er bisher nicht und er wollte wohl auch noch nicht Platz machen für einen Generationswechsel. Und da die Zusammenarbeit mit ihm auch sonst wohl nicht immer einfach war, wurde jetzt einfach mit dem FIFM eine Konkurrenzveranstaltung ins Leben gerufen - offenbar in der Erwartung, das FFM austrocknen zu können. Die Verpflichtung von Moritz de Hadeln galt vielen dabei, vor allem wegen dessen Erfahrungen und Kontakten im internationalen Filmfestivalzirkus, als genialer Schachzug. Andererseits steht de Hadeln mit seinen 65 Jahren auch nicht gerade für den neuen, jungen Schwung. Und dass er die Leitung der Berlinale 2001 gegen seinen Willen abgeben musste, macht ihn wahrscheinlich erst recht zum passenden Gegenspieler von Serge Losique.

Obwohl es hierbei nicht um einen der typisch-kanadischen, anglo-franco-phonen Konflikte geht, passt das Gerangel irgendwie doch gut hierher. In diese Stadt, in der man gut nebeneinander lebt, aber immer auch auf Abgrenzung bedacht zu sein scheint. Einige Zuschauer sind erfreut über noch breitere Filmangebot. Viele reagieren aber auch irritiert und genervt auf die Konkurrenzsituation und bleiben eher zu Hause. Bei beiden Festivals waren die Kinosäle eigentlich nur an den Wochenende gut besucht.
Während allgemein erwartet wird, dass das alte Festival nach seinem 30. Jubiläum im nächsten Jahr einschlafen wird, sorgte das neue mit schwach besuchten Vorstellungen und organisatorischen Pannen für Negativschlagzeilen. Dann zog ein Hollywoodstudio auch noch den Abschlussfilm ohne Begründung zurückzog, als das Festival schon lief. Und schließlich kritisierte Moritz de Hadeln öffentlich die Fähigkeiten der FIFM-Organisatoren. Ein totaler Mangel an Kommunikation würde dazu führen, dass er ein Fremder in der ganzen Organisation bleibe. Sie hätten von seinen Erfahrungen profitieren können, wenn sie ihn gefragt hätten, aber sie hätten gedacht, sie wüssten es besser.

Wie es weitergeht, ist also noch völlig offen. Um die Termine etwas zu entzerren, möchte das FIFM im nächsten Jahr vielleicht schon im Juni starten. Fest steht aber, dass jetzt erstmal noch das dritte Montrealer Filmfestival folgt. Das 'Festival Nouveau Cinema' ist etwas kleiner aber das älteste unter den dreien. In diesem Jahr wird es vom 13. bis zum 23. Oktober stattfinden.

Ach so. Preise wurden natürlich trotz allem vergeben. Schließlich geht es ja auch irgendwie um die Filme... Mehr dazu auf dem Internetseiten der Festivals.

-> Festival des films du monde
-> Festival international de films de Montréal
-> Festival Nouveau Cinema

Überblick 5

Kommentare und Fragen bitte an: montreal(at)o1x(punkt)de
zuletzt |  Impressum |  www.o1x.de